DasSoSein

Stell dir vor es geht, und keiner kriegts hin

Es ist kompliziert, weil es einfach ist. Kompliziert, weil alles schon da zu sein scheint bis zum Ende und dennoch neu von vorne bis hinten durchgangen werden muss; und einfach, weil wir Menschen das ja ständig tun oder wenigstens glauben zu tun, antizipativ handeln: wenn wir mit anderen zu tun haben, verfolgen wir oft dabei ein inneres Ziel, und nicht unbedingt bewusst ordnen wir ihm unser Verhalten unter, wenn wir uns mit dem kleinen Kind, dem Chef oder Ticketkontrolleur befassen müssen. Wir spielen eigentlich ständig und etliche Rollen am Tage – und das Drama entsteht, wenn unser ineres Skript ein anderes Ziel vorsieht als jenes, das sich dann tatsächlich im Zielabgleich mit dem Dialogpartner herausstellt. Alles kommt vor zwischen Triumph und Frust – hundertemal am Tag…und die Behauptung, die Lüge ist unser überlebensnotwendiges und erzmenschliches Mittel zur Hand. Wer also dem Wolf gegenüber stehen bleibt, ohne dem Reflex nachzugeben und einfach zu rennen und sich niederjagen zu lassen, hat schonmal eine Chance wahrgenommen…

Wahrscheinlich macht es immer die Kombination aus Schauspieler und Regisseur, die darüber entscheidet, ob die Rolle, die ich spielen soll, im Verlauf der Proben „zu mir kommt“ – Ein befreundeter Regisseur hat mit erzählt, dass die Leute, die mit dem Regisseur Christoph Marthaler schon lange zusammenarbeiten, ihre „Proben“ mit ihm grossenteils am Tisch in Form von Gesprächen erledigen. Das auf-die-Bühne-steigen ist dann nur noch die, wie soll ich sagen, mimoplastische Konsequenz, aus den Worten erwachsen.Wie beneide ich das. –

oder ob ich sie ständig suchen muss, weil unsere psychologische Natur gemeinhin so aufgefasst wird, als sei unsere einzig menschliche Fähigkeit, komplex zu lügen ein Produkt eigeninitiativer Aktivität.

„Lüge“ widerum ist uns aber oft als ein spontan kreativer Akt und adhoc-Eingebung verfügbar und insofern zuallererst eine ständige Kreation von Wirklichkeit.

Erst im sozialen Kontext darf „Lüge“ als der taktische und bewußte Akt der Manipulation und Beugung von Wahrheit verstanden werden; wobei Wahrheit nichts weiter als die kollektive Domestikation einer Wirklichkeitswahrnehmung bedeutet, die im Sinne der konsistenten Eigenwahrnehmung einer Gesellschaft vollzogen wird, meist garnicht bewusst: immer leben wir in einer Wirklichkeit, die sich nicht an der objektiven Realität unseres Lebens in der physischen oder geistigen Welt orientiert ( ohnehin nie zu erfassen ). Allein am ansozialisierten Gesellschaftsvertrag orientiert sie sich, geformt als eine kontinuierliche innergemeinschaftliche Interaktion im Sinne der ständigen Selbsbestätigung. Schon der humorvolle oder gar spielerische Umgang mit diesem Prinzip der Konservation wird schnell stigmatisiert, zumal in totalitären Gruppensystemen, und als „Lüge“ bezeichnet (s. „entartete Kunst“ in den 30ern ). Da es immer so viele Lügen wie Menschen gibt, ist „Lüge“ nichts weiter als ein verallgemeinernder Hilfsbegriff zur pauschalen Aberkennung einer Individualentfaltung, deren Macht nie zu brechen sein wird. Die Gedanken sind und bleiben, frei!

Dabei bedeutet „spielen können“ eigentlich „sich intuitiv vorwärts bewegen“ und Initiative in diesem Sinne ist schlicht Hingabe in einem wirklich ehrlichen Sinne, weil das alltägliche Prinzip der Lüge anerkannt wird. Weitere Ausführungen demnächst…

 

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